Virgil Ivan „Gus“ Grissom


Geboren:
3. April 1926 in Mitchell, Indiana, USA
Verstorben:
27. Jänner 1967 in Cape Canaveral, Florida, USA
Ehefrau:
Betty Lavonne Grissom
Kinder:
2
Auswahl:
April 1959 (NASA Gruppe 1)
Ausgeschieden:
27. Jänner 1967 (Tod bei Apollo 1)
Raumflüge:
Mercury-Redstone 4 (1961), Gemini 3 (1965)
Zeit im Weltraum:
5h 7min

Gus Grissom wurde im April 1959 von der NASA als einer der sieben ersten amerikanischen Astronauten der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im Januar 1961 wählte die NASA Gus Grissom als Astronaut für die zweite suborbitale Mercury-Mission (Mercury-Redstone 4) aus. Als Ersatzpilot wurde John Glenn eingeteilt. Erst am 15. Juli, wenige Tage vor dem Start, wurde dies der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Der Start von Mercury-Redstone 4 erfolgte am 21. Juli 1961. Nach zwei Minuten und 22 Sekunden schaltete das Triebwerk ab, und das Raumschiff löste sich von der Redstone-Rakete. Die Geschwindigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt 2 km/s. Für etwa fünf Minuten befand sich Grissom in der Schwerelosigkeit.

Grissom konnte das Raumschiff um mehrere Achsen drehen. Der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre erfolgte mit über 11g. Nach einem ballistischen Flug und Erreichen der Gipfelhöhe von 190 km, zündete das erste Mal ein Astronaut die Bremsraketen des Raumschiffs von Hand. Während des Niedergangs beobachtete Grissom Risse im Fallschirm, die sich jedoch nicht vergrößerten. Schließlich wasserte Liberty Bell 7 nach einem Flug von 15 Minuten und 37 Sekunden 487 km entfernt vom Startpunkt.

Gus Grissom bereitete den Ausstieg aus der Landekapsel vor, indem er seinen Helm öffnete, den Sauerstoffschlauch und die Sicherheitsgurte entfernte. Danach schaltete er den Absprengmechanismus der Luke scharf. Nach Absprache mit dem Rettungshubschrauber Hunt Club wartete Grissom darauf, dass dieser die Kapsel bergen würde. In der Zwischenzeit notierte er die Stellungen der Hebel und Knöpfe am Armaturenbrett, da Alan Shepard dies bei seinem Flug vergessen hatte.

Plötzlich jedoch explodierte der Lukensprengsatz, und sofort drang Wasser in das Innere der Liberty Bell 7. Instinktiv verließ er sofort die sinkende Landekapsel unter Zurücklassung aller Utensilien und wurde später von einem anderen Hubschrauber geborgen. Durch das eindringende Wasser wurde die Kapsel immer schwerer und der Helikopter wurde über seine Belastungsgrenze gefordert, sodass er das schon angebrachte Rettungsseil kappen musste und die Liberty Bell 7 im Meer versank.

Erst 1999 wurde die Liberty Bell 7 aus dem Atlantik geborgen. Teile des Films, den Grissom an Bord gemacht hatte, wurden seitens des Bergungsfinanziers als Souvenir in Acrylglas gegossen und daraufhin verkauft. Es existieren genau 1000 dieser Acrylglassouvenirs.

Die Bergung der Kapsel war die bisher teuerste kommerzielle Bergung aus der Tiefsee, da die Mercury-Kapsel fast 6000 Meter tief auf dem Grund des Atlantiks lag.

Anschließend wechselte Grissom zum Gemini Programm und wurde Kommandant der ersten bemannten Gemini Mission „Gemini 3“. Am 23. März 1965 hob die Titan II mit der Gemini Kapsel „Molly Brown“ an der Spitze zu einem erfolgreichen Jungfernflug ab. Die Hauptaufgabe der Astronauten war es, das Raumschiff auf seine Weltraumtauglichkeit und Steuereigenschaften zu testen. Es war das erste Mal, dass ein Raumschiff Andock-, Rendezvous- und Wendemanöver im Weltraum testete, da das Gemini-Raumschiff viel beweglicher im Weltraum war als das Mercury-Pendant.

Während des Gemini-Programms gingen die Arbeiten hin zu einer erfolgreichen Mondlandung weiter. Gus Grissom wurde auch im Nachfolgeprojekt frühzeitig berücksichtigt und sollte dort die erste bemannte Apollo-Mission leiten und damit abermals Jungfernflieger der NASA werden.

Das Apollo-Raumschiff war aber bei weitem noch nicht so ausgereift wie das Gemini-Vorgängermodell, sodass die Techniker und Astronauten unter Hochdruck an der Fertigstellung des ersten Apollo-Raumschiffs (Seriennummer 012) arbeiteten, da man in den 1960er-Jahren unbedingt auf dem Mond landen wollte, wie es der ehemalige Präsident der USA, John F. Kennedy, 1961 versprochen und öffentlich verkündet hatte. Als Apollo-Saturn-204 (AS-204) sollte die Mission im Frühjahr 1967 stattfinden.

Einer der wichtigsten Tests fand am 27. Januar 1967 in Cape Canaveral statt. Die gesamte Besatzung, Edward H. White, Roger B. Chaffee und Gus Grissom nahmen in der Kommandokapsel Platz, um einen Plugs-Out-Test durchzuführen. Während des Tests fing jedoch das Innere der Kapsel Feuer. Durch die Verwendung von reinem Sauerstoff mit leichtem Überdruck als Atmosphäre in der Kapsel breitete sich das Feuer innerhalb von Sekunden auf sämtliche brennbaren Materialien aus. Der Innendruck der Kapsel wurde durch die computergeregelte Sauerstoffzufuhr sofort erheblich erhöht. Alle drei Astronauten kamen dabei ums Leben, da die Luke weder von innen (zu hoher Innendruck durch das Feuer) noch von außen (keine Rettungsmannschaften direkt an der Kapsel) schnell genug geöffnet werden konnte. Die Luke wurde daraufhin vollkommen neu konstruiert sowie mehr als tausend weitere Änderungen am Raumschiff und seiner Verarbeitung vorgenommen. Die Ursprungskonstruktion der Luke war von der NASA so gedacht worden, dass ein weiterer Unfall, wie ihn Grissom mit der Liberty Bell 7 hatte, nicht mehr passieren sollte.

Aufgrund seiner Leistungen im Mercury-, Gemini- und Apollo-Programm hätte Grissom eine ziemlich große Chance gehabt, ausgewählt zu werden, als erster Mensch den Mond zu betreten. Deke Slayton, sein enger Freund aus Testpilotentagen und Mercury-Kamerad, der die Astronautencrews für das Apollo-Programm zusammenstellte, schrieb 1994 in seiner Autobiographie Deke!, dass er wollte, dass ein Astronaut des Mercury-Programms der erste Mensch auf dem Mond gewesen wäre, und hätte Grissom zu dieser Zeit noch gelebt, wäre er es geworden. („Had Gus been alive, as a Mercury astronaut he would have taken the step“. // Wenn Gus überlebt hätte, hätte er als Mercury-Astronaut diesen Schritt getan.)

Alan Shepard war zur Zeit der ersten Mondlandung aus medizinischen Gründen fluguntauglich; John Glenn durfte auf Wunsch von US-Präsident Kennedy nicht mehr fliegen, da er als amerikanischer Held keiner Gefahr im Weltraum mehr ausgesetzt werden sollte; Scott Carpenter bekam nach seiner Mercury-Mission seitens der NASA keinen neuen Raumflug mehr zugewiesen und war bereits aus dem aktiven Astronautenteam ausgeschieden; Walter Schirra hatte seine Weltraumkarriere mit Apollo 7 beendet und Gordon Cooper war ein schwieriger Charakter, der wenig als neues Aushängeschild der NASA geeignet gewesen wäre und nach Gemini 5 ebenfalls für keine Weltraummission mehr eingeplant wurde. Deke Slayton schließlich war immer noch fluguntauglich und hätte auch keinerlei Weltraumerfahrung gehabt. So wäre nur Grissom als einziger Mercury-Veteran für die erste Mondlandung verfügbar gewesen. Nach seinem Tod wurde durch diverse Planänderungen und Missionsstreichungen Neil Armstrong die Ehre zuteil, die ersten Schritte eines Menschen auf dem Mond zu unternehmen. Er tat dies am 21. Juli 1969, auf den Tag genau acht Jahre, nachdem Virgil Grissom mit der Liberty Bell zu seinem Jungfernflug ins All aufgebrochen war.

Gus Grissom war zum Zeitpunkt seines Todes einer der erfahrensten und berühmtesten Astronauten der NASA. Dass ihm als erstem Astronauten ein zweiter Jungfernflug angetragen wurde und er als erster Astronaut auf den Mond sollte, zeugt von seiner herausragenden Stellung innerhalb der Astronautenmannschaften der NASA. Selbst der Untergang der Liberty Bell 7 konnte seine steile Karriere nicht aufhalten. Der Rückschlag, den die NASA nach Apollo 1 hinnehmen musste, und das weltweite Medienecho zeugen noch heute von seiner Bedeutung.